"Akustik wird häufig nicht mit notwendiger Aufmerksamkeit und notwendigem Budget bedacht"
Interview mit Noemi Herget, Fraunhofer Institut für Bauphysik IBP
Noemi Herget ist Kognitionswissenschaftlerin und leitet am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP die Arbeitsgruppe »Psychoakustik & Kognitive Ergonomie«. Mit ihrem Team sowie Partnern aus der Industrie forscht sie seit über 10 Jahren zur Wirkungsweise raumphysikalischer Umgebungsfaktoren wie Licht, Akustik und Raumklima auf den Menschen. Noemi Herget ist Gründungsmitglied der Fraunhofer »Büro-Initiative«, die ihre Forschungsarbeit schwerpunktmäßig auf das Themenfeld der akustischen Büroraumgestaltung fokussiert.

Frau Herget, Sie beschäftigen sich mit der akustischen Gestaltung von Arbeitsräumen. Welche Folgen sind typisch für eine mangelhafte Akustik in Büroräumen?
Wenn Menschen dauerhaft in einem akustisch mangelhaft gestalteten Arbeitsraum arbeiten, bedeutet das zunächst kurzfristige Stressreaktionen für den Körper. Die größte Problematik ist dabei gut verständlicher Sprachschall. Geräusche durch technische Anlagen wie Drucker oder Lüftungsanlagen sind weniger kritisch. Der ausgelöste Stress kann sich in Kopfschmerzen, Erschöpfung, aber auch verminderter Konzentrationsfähigkeit und Arbeitsleistung äußern. Wer langfristig solchem Stress ausgesetzt ist, muss mit gesundheitlichen Langzeitfolgen rechnen. Insbesondere ist mit einem erhöhten Krankenstand aufgrund einer schlechteren Abwehrfähigkeit des Immunsystems, einer Zunahme psychischer Krankheitsbilder sowie Tinnitus zu rechnen. In Räumen, in denen viel telefoniert wird, können auch Stimmbandprobleme hinzukommen. Ist es in der eigenen Umgebung laut, tendiert man dazu, selbst lauter zu sprechen. Damit schaukelt sich der Lärmpegel im Raum langsam hoch und die Stimme wird stark belastet.
Wo sehen Sie die wichtigsten Ansatzpunkte, um die Schallausbreitung in Büroräumen bestmöglich zu reduzieren?
Zunächst ist es wichtig, dass ausreichend viele schallabsorbierende Oberflächen beispielsweise an Decke, Boden, Möbeln oder Wänden vorhanden sind. Es gilt zu beachten, dass der Raum nicht zu stark bedämpft sein darf, da sonst die Verständlichkeit von Sprache im Raum ansteigt, was wiederum zu einer Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit führt. Weiterhin können Stellwände und schirmende Elemente den Schall an der Ausbreitung im Raum hindern. Dabei spielen ebenso gute Zonierungskonzepte wie etwa die Behinderung der Schallausbreitung durch Telefonboxen in der Mittelzone eine wichtige Rolle. Die Verständlichkeit störender Sprache von Personen im direkten Umfeld des Arbeitsplatzes (Sitznachbar) lässt sich durch reine schirmende oder absorbierende Maßnahmen nicht verhindern. Auch Noise Cancelling Kopfhörer sind nachweislich nicht geeignet, um Sprachschall ausreichend gut zu reduzieren — diese Systeme funktionieren lediglich gut für gleichförmige Geräusche wie beispielsweise das Rauschen im Flugzeug.
Aus diesem Grund arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP aktiv daran, sogenannte Maskiersysteme zu erforschen und in der Praxis zu etablieren. Hierbei wird der Sprachschall nicht gecancelt, sondern überdeckt. Dadurch ist er weniger störend und beeinträchtigt unser Wohlbefinden und unsere Konzentrationsfähigkeit weniger stark. Damit ein Maskiersystem gut funktioniert, muss ein geeigneter, nicht lästiger Maskierschall sowie ein adaptives, d. h. ein sich an die Geräuschbelastung der Umgebung anpassendes System zum Einsatz kommen.
Wie beurteilen Sie Ihrer Erfahrung nach den Ausstattungsbedarf in deutschen Büros?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Akustik sowohl bei der Neu- als auch bei einer Umgestaltung häufig nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit und dem notwendigen Budget bedacht wird. Das führt dazu, dass akustische Problemfelder erst nach Gebäudebezug markant werden. Dann ist eine Verbesserung der akustischen Situation beispielsweise durch eine angepasste Nachrüstung häufig viel schwieriger und kostenintensiver, als wenn die Akustik von vornherein in die Planung mit einbezogen worden wäre.
Der Ausstattungsbedarf befindet sich durch die aktuellen Veränderungen in der Büroarbeit ebenfalls im Wandel. Vermutlich wird langfristig viel mehr mobil und auch hybrid gearbeitet. Das wiederum bedeutet, dass viel Videotelefonie stattfindet. Dafür sollten sowohl die notwendige Technik als auch die entsprechenden Räume in guter raumakustischer Ausstattung vorhanden sein. Weiterhin gewinnt das Büro als Ort der Kommunikation an Bedeutung. Auch hier ist mit erhöhtem Sprachaufkommen und dadurch mit einem erhöhten Bedarf an guter Akustik zu rechnen.
Was raten Sie Unternehmen, die ihre Büroräume akustisch optimieren wollen?
Akustische Optimierung ist nicht trivial und die Effekte der Optimierung sind nur schwer „vorstellbar“. Man sollte sich stets Expertenrat einholen. Außerdem führen die derzeit gültigen Normen und Richtlinien bei ihrer Erfüllung nicht zwangsweise zu einer optimalen Akustik im Büro. Wer also wirklich gute Akustik in seinen Büroräumen haben möchte, sollte früh im Planungsprozess Akustik-Fachleute zu Rate ziehen, sich an den richtigen Kennwerten orientieren und weiterhin die Büroraumakustik an die im Büroraum ausgeführten Tätigkeiten anpassen.
Sie haben die so genannte „Büro-Initiative“ gestartet. Welche Zielsetzung verbinden Sie damit?
Die »Büro-Initiative« betreiben wir erfolgreich seit 7 Jahren. In diesem Netzwerkverbund aus Wissenschaft, Industrie, Normung und Bürobetreibern erarbeiten wir gemeinsam Konzepte und praktische Lösungen für leistungs- und gesundheitsförderliche Büroräume. Weiterhin haben wir in diesem Netzwerk die Möglichkeit, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse direkt zu den Bürobetreibern und den Herstellern von Bürolösungen und damit unmittelbar in die Praxis zu transportieren.
Frau Herget, vielen Dank fürs Gespräch.
Vorteile einer Schallminderung
geringerer Lärmpegel
höhere Konzentrationsfähigkeit
Minderung von Stressfaktoren
Förderung Gesundheit & Wohlbefinden

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